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Mehr Demokratie wagen mit Bürger*innen-Räten.

    Alle Ratsmitglieder hatten das Gefühl: wenn ich mich jetzt irgendwie positioniere, dann verbrenne ich mir die Finger, dann stoße ich mindestens die Hälfte der Stadt ab. Und genau in so einer Situation, in der es so heiß wurde – mit Demonstrationen, Rücktrittsforderungen, Drohungen – da hat das Beteiligungsverfahren dafür gesorgt, dass eine breite Mehrheit für den Vorschlag gestimmt hat

    Ob es um das Baumblütenfest in Werder geht, auf das sich Linus Strothmann in diesem Zitat bezog, die Fragen zur Corona-Pandemie, die Klimakrise, oder einfach die alltäglichen “Kampfabstimmungen” in den Parlamenten und Kommunalräten: im heutigen aufgeheizten Klima sind politische Diskussionen oft ineffizient und polarisierend. Bürger*innen-Räte sind Werkzeuge, die Abhilfe verschaffen können.

    Am 9. Februar veranstalteten wir von Friesland Zero ein Webinar zu zufällig ausgelosten Bürger*innen-Räten als Mittel der politischen Entscheidungsfindung [ein Mitschnitt vom Webinar befindet sich am Ende dieses Beitrages]. Warum? Ganz einfach: wir glauben nicht, dass die Politik allein, so wie sie jetzt funktioniert, die Krisen unserer Zeit zu bewältigen kann: auch und besonders nicht die immensen Aufgaben der Klimakrise. Lagerkämpfe, ein Mangel an Kreativität, überarbeitete oft ehrenamtliche Politiker*innen und ein wachsendes Misstrauen gegenüber den gewählten Gremien sind nur einige Symptome einer schwächelnden Demokratie. Wir glauben deshalb, dass Bürger*innen-Räte in Friesland eingesetzt werden sollten, um die Herausforderungen auf dem Weg zu einem klimapositiven und lebenswerten Landkreis zu bewältigen.

    Aber langsam, was genau sind denn eigentlich Bürger*innen-Räte? Hier ein Beispiel aus dem deutschen Kontext.

    Bürger*innen-Räte sind also vergleichbar mit Parlamenten, nur dass die Mitglieder nicht gewählt, sondern zufällig ausgelost werden. Durch spezielle “gewichtende” Verfahren wird sicher gestellt, dass alle relevanten Gesellschaftsgruppen repräsentativ dargestellt werden. So sollten zum Beispiel ca. 50% Männer und 50% Frauen im Rat sitzen. Expert*innen aus Wissenschaft und Gesellschaft beraten die Ausgelosten, die danach in Kleingruppen diskutieren und Lösungsvorschläge erarbeiten. Am Ende wird abgestimmt, welche Lösungsvorschläge im Bürger*innen-Gutachten erscheinen sollen. Dieses Gutachten wird dann an die etablierten Entscheidungsgremien wie zum Beispiel den Bundestag übergeben, der die Lösungen entweder annimmt, oder öffentlich begründet, warum er sie (teilweise) ablehnt.

    So viel zur Theorie. Wirklich spannend wird es, wenn man sich die vielen Experimente mit Bürger*innen-Räten anschaut, die in Deutschland, Europa und weltweit derzeit durchgeführt werden, sei es auf nationaler, Landes- oder Gemeindeebene. Hier eine kleine Auswahl.

    Gegen Ende wurden Linus und Thorsten noch gefragt, wie man denn sicherstellen könne, dass ein Bürger*innen-Rat am Ende auch zu einem guten Ergebnis komme. Linus erzählte daraufhin von der Situation in seiner Heimatgemeinde, wo der Beteiligungsprozess zu vorher undenkbaren Lösungen führte, auf die sich selbst Fraktionen einigen konnten, die sich vorher spinnefeind waren. Thorsten brachte die Sache noch einmal auf den Punkt: “Es ist nunmal so! Das Verfahren führt zur Entwicklung eines breiten Konsenses und zu klaren Ergebnissen”.

    Vollständiger Mitschnitt des Webinars

    Weiterführende Materialien

    Mehr zu Bürger*innen-Räten und zu den Projekten von Thorsten Sterk und Linus Strothmann findet ihr hier.

    Bei Nachfragen, meldet euch gerne bei uns unter info@frieslandzero.de